Verehrte Mitreisende, liebe Freunde des redACtionsbureaus,
es war – glaub' ich – an Station sechs. Oder war es doch die sieben? „Irland war niemals keltisch“, schnarrte der Audioguide an meinem Ohr. Ich stutze. Hatte ich mich verhört? War nicht kürzlich noch das Fell des Celtic Tiger verteilt worden? Und nun heißt es: „Irland war niemals keltisch.“ Merkwürdig!
Wir waren im Irish National Heritage Park in Ferrycarrig, kaum 20 km vom Fährhafen Rosslare entfernt. Ein wunderbarer Platz, um eine Irlandreise zu beschließen oder auch zu eröffnen. 9000 Jahre spannende Geschichte werden dort gegenwärtig, von der Steinzeit bis zur Eroberung Irlands durch die Normannen. Ich stoppte verblüfft die Bandansage, startete neu und konnte es nicht fassen. Selbst beim dritten Abhören war unmissverständlich zu hören: „Es hat nie eine keltische Eroberung gegeben.“ Wie und wo und wann genau gälische Sprache und keltische Kultur auf die Insel gekommen sind, sei entgegen vorherigen landläufigen Annahmen für die heutige Wissenschaft im Grunde ein Rätsel.
Die Informationstafel am nachgebildeten Ogham-Stein hatte den gleichen Tenor und gab dem Sprecher an meinem Ohr recht. Das hat mir keine Ruhe gelassen. Denn schließlich war und ist das Thema dieser Sommerreportage The Celtic Way. Wir arbeiten immerhin an einem Reiseführer und wollen die Leute auf gesichertem Wege in die Vergangenheit schicken. Ich brauchte Klarheit: Wie verhält es sich also mit den Ursprüngen der irischen Sprache? Und wie sonst kam die keltische Kultur auf die Insel?
Einige Publikationen gaben mir inzwischen weitere Auskunft. Bislang lautete die Theorie, frühe Siedler der Bronzezeit hätten sich seit 3000 vor Christus sternförmig über ganz Europa verbreitet: nach Südskandinavien, auf die Britische Insel und Irland, nach Frankreich und Spanien. Das scheint unstrittig. Steinkreise wie der Ring of Brodgar auf den Orkney Islands zeugen gerade im Norden von ihrer hochstehenden Kultur, die monumentale Bauwerke nach Gesetzen der Astronomie errichtete, noch bevor die Ägypter die Pyramiden erbauten.
Der Bronzezeit folgte die Eisenzeit. Keltische Hochkultur manifestierte sich in großen Städten nördlich der Alpen. Ab 700 vor Christus brachte sie eine Hochblüte der bildenden Künste hervor, überhöhte profane Gebrauchsgüter, schuf wunderbare Artefakte und mit dem neuen formbaren Werkstoff harte Tatsachen: neue Waffen, Schwerter. Kelten dieser Zeit waren gefürchtete Krieger, die völlig nackt kämpften. Schockierend! Hauptsiedlungsgebiet jener Epoche jedenfalls sind Österreich, die Schweiz und Süddeutschland, das Verbreitungsgebiet der Hallstatt-Kultur. Von nun an ist eine Wanderbewegung der Kelten durch ganz Europa belegt: Frankreich, Spanien, England. Es gab Invasionen in Italien und Griechenland. Kelten drangen bis nach Anatolien vor, wo sich seitdem das Gälische bis weit über Cäsars Zeiten hinaus behauptete.
Wie verhielt es sich während dieser kriegerischen Epoche in Britannien und Irland? John Haywoods „Historical Atlas of the Celtic World“ hilft weiter. Bislang hatten sich die Archäologen auf die Gemeinsamkeiten der prähistorischen Funde konzentriert. Doch seit Ende des letzten, des zwanzigsten Jahrhunderts rückten die Unterschiede in den Fokus ihrer Untersuchungen. Sie scheiden zum einen atlantische und mitteleuropäische Kelten. Sie sehen zum anderen die Gemeinsamkeiten der Kelten in Spanien und Irland, und zwar vor allem in der Sprache!
p-Celtic und q-Celtic sind offenbar der linguistische Schlüssel zu den neuen wissenschaftlichen Ansätzen und möglicherweise zu bahnbrechenden Erkenntnissen. Eine Spur weist nach Spanien. Doch wie gesagt, die Frage ist vielschichtig. Verlässliche Antworten sind auf die Schnelle nicht nicht so einfach zu bekommen. Das alles wird wohl eine längere Geschichte und am Schluss wird es von uns wohl eher ein Buch dazu geben, einen Zeitreiseführer oder so etwas.
Für den Moment gilt jedoch Folgendes: Reisen bildet, befreit von Vorurteilen und schenkt neue Erkenntnisse. Der Celtic Way verläuft nicht geradlinig. Das hatten wir ja selbst erfahren. Umso mehr können wir ihn mit all seinen Gabelungen nur jedem empfehlen, der eine spannende Reise in Raum und Zeit unternehmen und wunderbare Landschaften entdecken möchte.
Wer mehr erfahren mag von der ganzen Geschichte, findet weitere Stationen in unserem letzten Bericht zur Irland-Etappe. Sie führte an den Schönheiten der Ostküste entlang und wurde für uns an vielen Stellen wirklich zu einer Reise in die Vergangenheit. In Waterford etwa, wo bereits im 13. Jahrhundert Marketing und PR erfunden wurden. Oder im Vistor Center von Brú Ború zu Füßen des Rock of Cashel, wo es die Geschichte keltischer Kultur und des Irish Dance zu entdecken gibt.
Wir sind inzwischen wieder zwei Wochen hier im Lande, aber immer noch nicht so ganz wieder da. Der Weg war zu weit, um die vielen Eindrücke einfach so hinter uns zu lassen.
Bei Windstärke sechs bis sieben und hoher Welle sind wir zurück gekommen, durch die Ausläufer eines Sturmtiefs auf der Keltischen See. Sie wird trotz der Erkenntnisse aus Station sechs nicht umgetauft werden müssen. Irish Ferries hat uns sicher zurückgebracht nach Frankreich und uns den Abschied erleichtert. Ich muss schon sagen: die Oscar Wilde ist ein liebenswert irisches Schiff mit einem besonderen Unterhaltungswert, lebensfroh und ausgelassen dem wilden Leben des großen Dichters verpflichtet. Das Programm an Bord ist wirklich einmalig: Harfenklänge in der Lounge am Bug, Tischmusik im Restaurant, Kabarett am Abend und Live-Musik in der Bar, bei wogendem Seegang bis zum Umfallen. Stimmungsvoller kann ein Abschied auf dem Celtic Way nicht sein und schöner auch kein Start in eine neue Irlandreise.
Es war dieses Mal eine Tour der Inseln, mit viel Fahren und sehr vielen Fähren. Danke an alle Reedereien, die uns unterstützt haben: DFDS, Stena Line, Calmac, Steam Packet und Irish Ferries. Danke an unsere
Sponsoren und Partner, an den Fahrwerk-Spezialisten ORC und die Kollegen von mediacantoor und namentlich an Caroline Conrads, die im redACtionsbureau so umsichtig die Online-Berichterstattung betreute. Danke besonders auch an den National Trust for Scotland, nachdem VisitScotland nun wirklich keinen Finger gerührt hat. Danke an die Tourismusbehörde der Isle of Man und nicht zuletzt, sondern ganz besonders auch an Tourism Ireland. Wir hatten tolle Unterstützer, haben so viele herrliche Menschen getroffen und wurden durch Land und Leute beschenkt.
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Bis die Tage!
Heinz Bück und Sigrid Schusser
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P.S.: Wer einen wunderschönen Beitrag zu Irlands tragischer Geschichte im Kino sehen möchte, dem sei Jimmy' s Hall empfohlen.
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