The Celtic Times 1/15: Cornwall

The Celtic Times 1/15: Cornwall

Redactionsbureau - Werkstattbericht

Verehrte Mitreisende, liebe Freunde des redACtionsbureaus,

wir sind durch. Die erste große Etappe liegt hinter uns, von der frühen Steinzeit bis in die nahe Zukunft. Wir haben die britische Insel durchquert, Cornwall umrundet und Wales durchfahren. Die britischen Passkontrollen in Harwich waren akribisch und quälend lang. Jedes Auto wurde gecheckt, jeder Caravan, Van oder Camper geöffnet und besichtigt. Die europäischen Gesellschaften filtern ihre Zugänge. Die nationalen Grenzen werden strikter bewacht als zuvor. Terrorängste, Einwanderungsfurcht, Flüchtlingsverdacht. Unser Bureaumobil wurde innerlich geaugenscheint, unsere Ausweise geprüft, die Passbilder mit uns verglichen. Gesichtskontrolle, wie früher. Dann waren wir durch.

Auch Stonehenge, das Gateway in die Steinzeit, wird kontrolliert. Im fernen Rund des prächtigen Steinkreises kreisen die neongelben Westen der Wachleute, die zwischen den mächtigen Steintoren Patrouille gehen. Diana Gabaldon wird nicht zufrieden sein. Weitläufig ist das Gebiet abgesperrt gegen die Anziehungskraft seines magischen Zentrums. Doch wir finden eine neuzeitliche Tangente und kommen in den frühen Morgenstunden eines strahlenden Sonnentages ganz nahe heran. Dieses Mal ist es auch für uns das Gateway zu einer neuen Zeitreise, das östliche Tor zu den keltischen Regionen auf der britischen Insel, bevor wir von Wales nach Irland übersetzen.

 Zur Tangente des Stone Circles

Nachdem wir das bronzezeitliche Einfallstor von Stonehenge passiert haben, geht es über die Grafschaft Somerset immer weiter westwärts nach Devon. Zum kornischen Landzipfel im äußersten Südwesten der Britischen Insel gabelt der Weg. Es gibt eine nördliche Anreiseroute an der Irischen See vorbei und eine südliche am Ärmelkanal entlang zur Keltischen See. Wir entscheiden uns für den oberen Einstieg, drehen gegen den Uhrzeiger ein und kurven auf engen einspurigen Sträßchen durch das nördliche Devon. Auf den schmalen, oft nur wagenbreiten Pfaden geht es über die hügeligen Mountains des Exmoor Nationalparks in die hoch liegende Moorlandschaft. In der Ferne stehen die wilden Pferde, auf den Hügeln Rehe, die uns erhobenen Hauptes beobachten.

Nahe Bridgetown finden wir die Tarr Steps im tiefen Flusstal. Sie stammen aus keltischer, vielleicht vorkeltischer Zeit. Über das weite Flussbett wurde diese megalithische Brücke schon in frühesten Zeiten gebaut, aus mächtigen Steinplatten, die auf wuchtigen Fundamenten ruhen, vom quirligen Wasser umströmt. Seit Jahrtausenden führt sie an der breiten Furt hinüber ans andere Ufer, diesseits und jenseits durch keltische Welten. Dies muss ein prähistorischer Highway gewesen sein, Teil eines steinzeitlichen, vielleicht sogar eines bronzezeitlichen Fernhandelsweges hier im Westen der britischen Insel. Er führt vom heutigen Devon ins vorgelagerte Cornwall, von den Küsten der Keltischen See nordwärts ins Binnenland und weiter an die Irische See. Wir sind auf dem richtigen Wege.

 Über die Tarr Steps hinüber nach Cornwall

Am äußeren Rande der Britischen Insel fanden die keltischen Stämme Zuflucht vor den Römern, vor den Angeln und Sachsen und vor den Normannen. Im Norden Cornwalls festigten sie ihre verbliebene Macht. Uneinnehmbar liegt auf den Klippen über der Irischen See die Königsburg Tintagel, der Sitz von King Arthur. Hier spielen die Epen der Tafelrunde und des Hofs von König Marke, die Ränkespiele und dramatischen Liebesgeschichten um Königin Gwynifer und die schöne Isolde. Hier fochten Lancelot und Tristan mit schwarzen Rittern und feuerspeienden Drachen um ritterliche Ehre und die Gunst ihrer Damen, viele Jahrhunderte vor Rosamunde Pilcher. Von den Klippen, Buchten und Schmugglerpfaden ringsumhin wurde auch Enid Blyton inspiriert: zu den beliebten Kinderabenteuerbüchern der fünf Freunde. Cornwall steckt voller Geschichten.

 Zu King Arthur und Enid Blyton an Cornwalls Küsten

Gegen den Uhrzeigersinn durch Cornwall zu reisen, so hatten wir uns entschieden: zurück in römische, keltische, steinzeitliche Regionen, von den arthurischen Castles zu den keltischen Castros. In Chysauster zeugen die Fundamente der Rundhäuser
von der frühen keltischen Besiedlung, Dörfern und Ringforts, die von Portugal und Galizien, über die Bretagne nach Cornwall und Wales reichen und auch in Irland und Schottland überall zu finden sind.

Die „Celtic Chappel“ ist nur zu Fuß zu erreichen, auf schmalen Pfaden in einem kleinen Wäldchen, eine Naturkathedrale der Wicca-Kultur, deren religiöse Bindungen zurückreichen in „heidnisch“ bezichtigte Zeiten. Sie haben die Repressalien und Scheiterhaufen der Missionierung in verborgenen kulturellen Nischen überdauert, in Nebeln wie jenen von Avalon, die Marion Zimmer Bradley so dramatisch heraufbeschwor. „Kein Tier geht mit seinen Widersachern so grausam um wie die Christen“, schrieb Ammianus Marcellinus im 4. Jh. über Verfolger und Verfolgte. Doch die alte keltische Naturreligion um ihre druidischen Führer hat immer noch ihre Anhänger, wenngleich wenige.

 Von keltischen Castros zu neolithischen Steinkreisen

Noch weiter zurück weisen auf der Penwith Peninsula die stummen Zeugen des Merry Maidens Stone Circle auf die frühen bronzezeitlichen Siedler, genau so wie der Lanyon Quoit, ein 2,5 m hoher Tomb, und der sagenumwobene Mên-an-tol, ein Stein mit kreisrundem Loch in der Mitte. Etwas entlegener der Standing Stone der Lizard Halbinsel, wunderbar eingebettet in das Naturschutzgebiet an der Dry Tree Radioteleskopanlage, die wie seinerzeit die Erbauer von Stonehenge hineinhorcht in das zeitlose Flüstern des Universums. Ein weiterer Zwischenstopp für Fernzeitreisende liegt in der Umgebung von Minions im Bodmin Moor Nationalpark. Dort warten The Hurlers – 4000 Jahre alt – mit drei Steinkreisen nebeneinander und darüber auf der fernen Bergkuppe der „Cheesewring“, die aufeinander getürmten großen Steinplatten, die emporragen wie von Riesenhand geschichtete Steinmännchen. Unweit davon der Trethevy Quoit, einer der best erhaltenen Dolmen der Insel, auch er ein raumzeitlicher Meilenstein. 

 Zu Dolmen, Tombs und den drei Steinkreisen

Schon die bronzezeitlichen Siedler nutzten die hiesigen Zinn- und Kupfervorkommen und sie bedienten mit ihrem Erzabbau den europäischen Binnenmarkt der Steinzeit bis weit in den Mittelmeerraum. Bis ins 20. Jh. reichten die Vorkommen. Von jenen prosperierenden Zeiten zeugen heute nur noch die Ruinen der verfallenden Gruben und Bergwerksschächte, die wie verlassene Burgruinen auf den Hügeln emporragen.

Mit den geplünderten Rohstoffvorkommen verschwanden Wohlstand und Arbeitsplätze. Cornwall wurde ein Armenhaus. Wer andere Möglichkeiten des Broterwerbs fand, blieb. Wer nicht in der Steinzeit enden wollte, suchte Alternativen. Zeit-Reisende, die den Blick von der Vergangenheit in die Gegenwart Europas richten und in die Zukunft seiner vergänglichen Märkte blicken möchten, werden sich daher für die Konzepte der postfossilen Gesellschaft interessieren. Deren Anleihen an die Steinzeit sind weniger in der Jäger- und Sammlerkultur zu finden, die längst schon als Globalisierungskonzept adaptiert wurde, als in lokalem Landbau.

Und so liegt denn – je nach Uhrzeigersinn – auf dem Weg ins schöne Cornwall (oder zurück) im erwähnten County Devon ein traditionsreiches Städtchen, das sich der Zukunft verschrieben hat, nicht nur der eigenen: Totnes gilt als das Zentrum, ja als Mekka der Transition-Town-Bewegung. Ihr Evangelist und ökonomischer Vordenker ist Rob Hopkins, ein Brite, der seinerzeit im irischen Kinsale Wirtschaftswissenschaften lehrte und ein Aufsehen erregendes Stadtkonzept entwickelte. Es setzt auf lokale Erzeuger und Märkte, folgte den Ideen der Permakultur. Das Konzept hat den Oilpeak vor Augen und die postfossile Gesellschaft im Blick. Daher zielt es auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in einer Welt, deren Ressourcen aufgebraucht werden. In der Transiton Town Totnes wurde es erstmals umgesetzt. Hal Gillmore von Futurebound gehört dem Think Tank der Bewegung an. Er führt Interessenten durch den lokalen Markt und in die Zukunft einer Ökonomie, die sich von globalen Machtverhältnissen abkoppelt. Mit dem Totnes Pound wurde sogar schon eine lokale Währung geschaffen.

 Stadt des Übergangs: Transition Town Totnes

Welche Geschichten Wales bereithielt, erzählen wir lieber beim nächsten Mal. Sonst wird das alles zu viel von unterwegs. Es gibt eine Menge zu berichten: von Cardiff, das nach der Strukturkrise auf den Ruinen der Werften an der Cardiff Bay ein futuristisches kulturelles Zentrum neu errichtet hat und das eigene Parlamentsgebäude gleich mit. Von CAT, dem Centre for Alternative Technology in den walisischen Bergen, wo Paul Allen arbeitet. Er ist der Leiter des Projekts „Zero Carbon Britain“, und war noch im Juni in Bonn, um den Weltklimagipfel in Paris mit vorzubereiten. Oder von Snowdonias Seen, vom nettesten Schaffner der Welsh Railway, den Druiden von Anglesey und keltischen Castros im galizischen Baustil auf Holy Island. Tolle Geschichten waren das in Wales!

Wir sind dann inzwischen in Irland und melden uns.




   Viele Grüße aus Irland!


   Heinz Bück und Sigrid Schusser


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