redACtionsbureau Reportage

Zur Celtic Bridge – über Somerset und Devon

Die Anreise nach Cornwall hält zwei Routen offen, jede mit herrlichen Abzweigern

Anfang Juli 2015 — Teffont – Sidmouth – Minehead – Bridgetown – Tarr Steps


Nachdem wir das bronzezeitliche Gateway Stonehenge passiert haben, gabelt sich der Weg ins keltische Cornwall. Es gibt eine nördliche Anreiseroute an der Irischen See vorbei und eine südliche am Ärmelkanal zur Keltischen See, mit oder gegen den Uhrzeigersinn. Wir drehen in Exeter nordwärts ein, entscheiden uns doch für den oberen Einstieg, gegen den Uhrzeiger und vor allem des Wetters wegen.

Im kleinen Dorf Teffont öffnet samstags morgens im alten Schulhaus, das heutzutage das Gemeindehaus ist, die Teffont Bakery mit Café. Es duftet früh schon nach frischem Gebäck. Wer zu früh kommt, bevor der Laden aufmacht, mag derweil schon durch das malerische südenglische Dorf schlendern. Ein wahres Vergnügen, zwischen alten rietgedeckten Häuschen, Gärten und uralten Bäumen zu bummeln, zeitvergessen und gedankenverloren. Ab neun gibt es dann homemade Cookies und Croissants, Brot und Pain au Chocolade und auch einen Fairtraide-Kaffee dazu.

Grafschaft Somerset

In Fonthill Bischop führt die Straße durch einen imperialen Triumphbogen an einen schwanenbesegelten See. Sie führt uns durch die sonnenbeschienen Hügel an den Kanal nach Sidmouth. Hier genießen wir den sonnigen Tag am Strand mit einem ersten kurzen Meeresbad und einem echten langen Strandspaziergang – Strand-Relax-Tag.

Der Ärmelkanal ist uns dennoch nicht geheuer. Wikingerüberfälle stehen nicht zu erwarten, keine Piraten, keine spanische Armada. Doch seit die europäische Atomenergieindustrie in den 90er Erlaubnis bekam, ihre radioaktiven Abfälle in schlichten Stahlfässern im Kanal zu verklappen, liegt nördlich der Kanalinsel Alderney ein gefährliches Gefahrenpotenzial auf dem Grund der See. Die Fässer rosten, belasten die Tier- und Pflanzenwelt, gefährden die Meeresbewohner und -anwohner, und über die Nahrungskette und das Wasser die Menschheit. Da Frankreich im Süden sein Nuklearkühlwasser gleich mit einleitet, wird das Mischungsverhältnis nicht besser. Doch auch die Irische See ist an der Ostseite wegen der britischen Einleitungen von hoch strahlendem Kühlwasser kein beruhigender Badeplatz. Die Blue Flag Beaches markieren zwar Strände mit guter Wasserqualität. Doch ob zur Analyse und Bestimmung nur Mikroskope und Reagenzgläser oder auch Geigerzähler eingesetzt werden, ist nicht deutlich zu erkennen.

Grafschaft Somerset

Wir riskieren ein zweites, morgendliches Meerbad. Dünn und grau stellt sich Nieselregen ein, dann Regen. Wir sichten Bilder und Notizen. Als wir gegen 12 Uhr aufbrechen, hat der Niesel etwas aufgehört. Vielleicht ist es im Norden besser als am Ärmelkanal und so drehen wir bei und entscheiden: Unser Ziel ist der nördliche Einstieg nach Cornwall: Minehead liegt am Rande vom Exmoor Nationalpark, zu erreichen über die schön gelegene B 3190. Minehead selbst ist eine Touristenhochburg, mit Spielhöllenboulevard, Karussels und Imbissbuden. Ein großangelegter Parkplatz, der Straßen und Plätze erfasst, die Zeit in Pounds und Pennies zerlegt und den Tag in 5,50 BPD. Man braucht hier Tickets zum Dasein: Pay and Display. Belege zum kurzfristigen Verweilen mit Blick auf die Uhr. Sehenswert nur: der Park im herrlichen Sonnenschein und stadtauswärts, hoch über der Steilküste, der einsame Küstenwanderweg.

Einen Nachtplatz fanden wir nach viel auf und ab, auf engen Kurven, auf einspurigen Sträßchen und sehr schmalen, oft nur wagenbreiten Pfaden in den Mountains des Exmoor Nationalparks, auf Pool Bridge Campsite, inmitten von Zelten und Lagerfeuern.

Die Eichhörnchen haben in der Nacht Futter gesucht und gefunden. Ein Backpacker beklagt sich, dass sie ihm das Brot aus der Tüte geholt haben. Nur die Bananen waren noch drinnen: „Gottlob, gib es hier keine Affen.“

Exmoor National Park, Grafschaft Devon

Eine schmale, wunderschön gewundene Straße führt uns im frühen Morgen durch die hochliegende Moorlandschaft. In der Ferne stehen die wilden Pferde und ihre Fohlen, die hier frei leben, auf den Hügeln Rehe, die uns erhobenen Hauptes beobachten. Die Reise zu den Exmoor Tarr Steps führt durch die einsame Landschaft des stillen hügeligen Hochmoors, weithin Farn und Ginster und lila leuchtendes Heidekraut, vereinzelt Wacholder und erhabener Weißdorn.

Wir erreichen Bridgetown, kaufen Speck und Eier im kleinen Dorfladen und finden die Tarr Steps im nahen Flusstal. Sie stammen aus keltischer, vielleicht vorkeltischer Zeit. Über das weite Flussbett wurde diese viehbreite Brücke schon in frühesten Zeiten gebaut, aus mächtigen Steinplatten, die auf wuchtigen Fundamenten ruhen, vom quirligen Wasser durchströmt. Seit Jahrtausenden führt diese Brücke an der breiten Furt hinüber ans andere Ufer, diesseits und jenseits durch keltische Welten.

Exmoor National Park, Grafschaft Devon

Dies muss ein prähistorischer Highway gewesen sein, Teil eines steinzeitlichen, vielleicht sogar eines bronzezeitlichen Fernweges hier im Westen der britischen Insel, vom heutigen Devon ins vorgelagerte Cornwall, von den Küsten der Keltischen See nordwärts ins Binnenland und weiter an die Irische See. Wir sind auf dem richtigen Wege.

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