redACtionsbureau Reportage

Freiheitsliebe: am Ring of Kerry beim Liberator

Letzte Steinzeiten: von Ringforts und Gewaltfreiheit

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Die irischen Missionare haben es bewiesen: Gottesglaube kann Meere überwinden. Doch Freiheitsliebe kann Berge versetzen. Wir kamen begeistert zurück von Skellig Michael und fanden zwischen den vielen Programmpunkten des verregneten Cahersiveen Festivals, den Music Sessions am Mannix Point und den feucht-fröhlichen Pubs doch noch ein paar nette trockene Stunden für die touristischen Highlights des Südwestens. Da boten sich sogleich die eisenzeitlichen und mittelalterlichen Ringforts an. Sie stehen wie die sieben Forts der Aran Islands in der langen Reihe vieler küstennaher Forts und sind auch hier in Cahersiveen zu finden: Leacanabuaile und in Cahergall. Sehenswert auf der Iveragh Halbinsel ist zudem das Staigue Fort. Von diesem eisenzeitlichen Ringfort am Ring of Kerry ist es nur ein kurzer Sprung in die politische Gegenwartsgeschichte Irlands zu Daniel O´Connell, dem Liberator. Er hat Berge versetzt, um Irlands Weg zur Unabhängigkeit zu ebnen.

Nach der verlorenen Schlacht von Boyne 1690 wurden alle irischen Adligen enteignet und entmachtet. Irland geriet für mehr als 230 Jahre vollständig unter britische Fremdherrschaft, bis die Republikaner im 19. Jahrhundert vehement die Unabhängigkeit zurückforderten und sie 1922 durchsetzten. Einer der großen Wegbereiter war Daniel O´Connell, der Liberator. Geboren 1775 in Cahersiveen, war er als gewählter irischer Abgeordneter im Britischen Parlament zugleich der erste Katholik in Westminster. Er war ein höchst moderner Politiker, der Gewaltfreiheit lebte und sie von seinen irischen Gefolgsleuten nachdrücklich einforderte.

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Freiheitsliebend wie er war, trat O´Connell nicht nur für die Unabhängigkeit Irlands ein, sondern ebenso für die Gleichstellung der Juden, gegen die Sklaverei in Großbritannien und Amerika und für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Gesellschaft und Staat. Und er forderte seine Irisch sprechenden Landsleute auf, Englisch zu lernen. Das wird er sich damals als Zweitsprache gedacht haben. Die Republik hat er nicht mehr erlebt, doch er hat ihr den Weg geebnet. Seine Inhaftierung und die schreckliche Hungersnot, die seit 1845 unter seinen Landsleuten wütetet und 1 Million das Leben kosteste Tote und 2 Millionen auswanderer haben ihn demoralisiert. Er starb – herzkrank – 1847 in Italien auf einer Pilgerreise nach Rom. Sein Wohnsitz war Derrynane House, nahe Caherdaniel im County Kerry. Es ist heute ein Museum. Dort steht auch die große vergoldete Prunkkutsche, die ihm die Dubliner Bürger aufnötigen, um ihn 1844 nach seiner Haftentlassung im Triumphzug durch die irische Hauptstadt zu fahren.

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Am sehenswerten Park von Derrynane House und seinen angegliederten Gärten waren wir mit Sabine Rosenhammer verabredet, die eine Reisegruppe über den Ring of Kerry führte. Die Irlandberaterin hatte für uns die Überfahrt nach Skellig Michael arrangiert. Dank ihrer Hilfe kamen wir noch auf den allerletzten Drücker auf die Insel der Gottesfürchtigen. Bei Kaffee und Tee sprachen wir über die Begeisterung für Landschaft, Land und Leute und den stetig zunehmenden Tourismus. Irland zieht, nicht nur an windigen Tagen. Neben Briten, Schweizern und Franzosen wollen Jahr um Jahr mehr und mehr Deutsche auf die Grüne Insel. Sie finden in Sabine eine erfahrene deutschsprachige Reiseführerin und -organisatorin vor Ort, für Quartiere, Touren und Rundreisen im ganzen Land. 2014 gab es aus Deutschland einen neuen Besucherrekord. Der Trend ist ungebrochen. Und die Grüne Insel braucht den Tourismus.

Doch angesichts eines zusehends zerstrittenen Europas, das an seiner Zukunft zweifelt und seine Offenheit infrage stellt, fällt ein Schatten auch auf die Reisebranche, gerade in Irland, das sich von seiner Rezension und dem Sturz des Celtic Tiger erholt. Denn wenn Großbritannien wirklich dafür votieren sollte, die EU zu verlassen, befürchten viele Iren, dass ihr Irland mit- und nach- und wegzieht aus Europa. Der wirtschaftlichen und geografischen Abhängigkeit wegen, keineswegs aus Leidenschaft. Das wäre schlimm. Doch grün ist die Hoffnung und der Wunsch der Mehrheit, dass die Bürger für Gemeinschaft votieren, an den nordwestlichen wie an den südlichen Rändern Europas – aus Freiheitsliebe.

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