redACtionsbureau Reportage

Übersetzungsprogramm: erst die hintere Ostinsel

Rüber und rum: zunächst Inis Oírr, dann Inis Mór

28.07. — Doolin – Inis Oírr (engl. Inisheer)

Nach den vergangenen stürmischen Tagen ist der Andrang am Doolin Pier groß. Die Container der Fährbüros sind seit halb zehn von Menschen umlagert. Fahrkartenverkäufer rufen Touren und Abfahrtszeiten aus wie Marktschreier auf Basaren. Männer in leuchtend gelben Regenjacken bieten lautstark preiswerte Überfahrten und Rundfahrten zu den Cliffs of Moher an: alle erst für die Mittagszeit. Gleich mehrere Fährgesellschaften buhlen am Pier um die Gunst der Passagiere. Viele haben vorbestellt, etliche über Hotels und Veranstalter. Genau deshalb kommen wir nicht auf direktem Wege nach Inis Mór. Daher lautet der Vorschlag anders, überzeugend anders. Erst sollen wir zur kleinen Inis Oírr übersetzen und nachmittags weiter auf die große Inis Mór. Dort übernachten und im Anschluss zur mittleren Insel, Inis Meáin. Dort wieder übernachten und übermorgen über Inis Oírr nonstop zurück: ein Übersetzungsprogramm nach Insider-Art. Joan Reilly von Doolin2Aran Ferries hat es uns vorgeschlagen. Und es lässt sich für einen Kurztrip bestens weiterempfehlen, soviel vorweg. Man muss halt den Fahrplan kennen. Wir haben nur drei Tage: viel zu wenig für diese Inseln, allenfalls genug, um sie kennen zu lernen. Doch es wird eine großartige Begegnung werden.

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Oileáin Árainn, die Aran Islands, sind eine Gaeltacht. Auf den Inseln ist die irische Sprache noch lebendig, und auch die alten Namen und Orte. "Inisheer" etwa ist nur eine leere lautliche Koordinate, bloß ein Wort, das selbst bedeutungslos ist: nicht mehr als die phonetisch nachgeäffte, englischsprachige Verbasterung des alten irischen Namens Inis Oírr. Der jedoch ist lebendig: klanglich und sinnlich. Er geht wortgeschichtlich zurück auf gälisch "Inis Oirthir", was übersetzbar und zugleich auch landschaftlich wie sozial zu verorten ist, da es "Ostinsel" bedeutet. Ebenso kann der Name auf "Inis Thiar" zurückverweisen, was das "hintere Eiland" bezeichnet und ein deutlicher Perspektivwechsel wäre: ein Zweitname sozusagen, ein Blick über die Schulter aus Sicht der beiden größeren westlichen Inseln auf die kleinere Schwester. Die alten irischen Namen schöpfen aus einer hohen sozialen Bindungskraft und der Beziehungslogik einer "Living Landscape". Diese lebendige Landschaft der gälischen Sprachwelt reicht über Generationen zurück bis in mythische Zeiten, vereint Tradition und Identität der Gemeinschaft. Auf Inis Oírr und ihren Schwesterinseln, ja auf den Inseln an der gesamten Westküste, gibt es gute Sprachschulen, die besonders auch die englischsprachig erzogenen Schüler auf die Prüfungen in Irisch vorbereitet, das zum Pflichtprogramm der nationalen Regelschulen gehört: kulturell unverzichtbar.

Inis Oírr, das östlichste und kleinste Eiland der Aran Isles, liegt gut 5 Meilen vor Doolin und der Felsenküste der Grafschaft Clare und ist der Südseite der Galway Bay am allernächsten. Sie ist von hier aus die vordere Insel. Die größte und am weitesten westlich gelegene ist Inis Mór. Sie wiederum ist Connemara an der Nordseite der Bay am nächsten. Dort bestehen von Ros a' Mhíl (engl. Rossaveal) im County Galway ebenfalls Fährverbindungen zu den Oileáin Árainn.

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Man kann übrigens auch fliegen. Wir aber starten in Doolin per Boot und kommen bei rauer See und Sonnenschein nach einer guten halben Stunde an. Gegenüber dem Fahrradverleih warten am Hafen Kutschen und Autos auf die Gäste. Eigentlich wollten wir ja laufen. Aber uns betört ein Fahrer, uns seine Insel zu zeigen und zu einem guten Preis, einem wirklich guten Preis, eine Rundtour mit ihm zu machen. Nun ja, die Inseln leben vom Tourismus, die kurze Saison muss das Geld bringen und die Touristen sind nun einmal wir. So landen wir widerstandslos in Davids altem, klapprigen Auto. Wir erkunden die Westseite auf einer ersten Runde mit Fotostopps auf der schmalen Straße, zwischen herben Steinmauern aus grauem Kalkstein. Ein Gewebe aus Wegen und Mauern liegt über der Insel, wie ein graues Netz, durch das freundlich hell die parzellierten Wiesen schimmern. Wir halten am Wrack des gestrandeten Stückgutfrachters "Plassey", wo Flötenspieler auf die Touristen warten. Die kurze Saison muss das Geld bringen. Wir halten an der versunkenen Kirche, die dem heiligen Kevin aus dem schönen Glendalough geweiht ist, und ziehen dann doch zu Fuß weiter. Das Wetter klart weiter auf. Unsere Rucksäcke lassen wir im Auto. David wird sie uns zeitig zur Dreiuhrfähre bringen. Das ist Service! So genießen wir nach der geführten Tour auch das Erkunden auf eigene Faust.

Unsere Mittagspause verbringen wir bei Ann, im einladenden Vorgarten ihres kleinen B&B. "Inis Oírr ist immer noch ein recht beschaulicher Ort", sagt sie, "die anderen beiden Inseln sind inzwischen viel zu kommerziell geworden", und sie eilt zurück in ihre Küche Geschirr holen. Draußen zwischen Reiseführern, Karten und Almanachen genehmigen wir uns auf einer der Picknickbänke unser verspätetes Frühstück: eine Seafood Chowder, die cremige Suppe des Tages aus heimischen Meeresfrüchten, einen Teller Makrelen frisch aus dem Meer, dazu selbst gebackenes Brot, Kaffee und Tee. Unwiderstehlich ist der Nachtisch zum Abschluss: eine Rhubarb-Tarte mit Vanillepudding und Sahne gereicht, mit Rhabarber aus dem eigenen Graten. Lecker! Gabi bei uns zuhause würde sich über die guten Zutaten und Rezepte aufrichtig freuen.

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Über Anns Garten liegt erhaben die mittelalterliche Burg der O’Briens auf dem gut 50 Meter hohen Hügel, der höchsten und alles überragenden Stelle der Insel. Sie stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist von den Resten des vermutet mittelalterlichen Ringforts Dún Formna umgeben, das hinüberschaut nach Südosten zu den Cliffs of Moher und nach Nordwesten zu den Bruderforts auf Inis Meáin und Inis Mor. Dorthin wollen wir um drei übersetzen: nach unserem Inselrundgang, dem letzten Tagesordnungspunkt auf dem hiesigen Übersetzungsprogramm.

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