Wahre Nationen und echte Kelten

Wahre Nationen und echte Kelten

Sechs Nationen gehören der Keltischen Liga an. Fünf von ihnen zählen zur angelsächsisch geprägten Welt, eine zur französischen. Doch alle sechs fühlen sich über die Grenzen ihrer modernen Nationalstaaten hinweg kulturell miteinander verbunden. Auch sprachlich sind sie eng verwandt. In mehr oder weniger starken Anteilen der Bevölkerung wird bis heute keltisch gesprochen. Zwar unterscheidet sich das Gälische in Irland inzwischen von dem in Schottland und auf der Isle of Man. Erst recht trennen diese q-keltischen Sprachen im Westen und Norden der Irischen See die Sprecher von jenen der p-keltischen Idiome im Süden der Britischen Insel diesseits und jenseits des Kanals: in Cornwall, Wales und der Bretagne. Dennoch ist es dieser tradierte alte Sprachkosmos, der sie alle eint, auch wenn er sich dort ins Gälische und hier ins Brytonische verläuft. Ja, er eint die sechs sogar in der ablehnenden Auffassung, dass Galizien und Asturien keine keltischen Nationen seien, da die keltische Sprache in Spanien nicht mehr gesprochen wird. Dabei ist gerade die Iberische Halbinsel Ziel und Ursprungsland keltischer Besiedlung und Kultur. Und zuweilen finden sich interkeltische Flaggen, die deswegen als siebtes Land Galizien mit führen.

Unsere historische Reise durch die Länder der keltischen Nationen beginnt 2015 im Südwesten der britischen Insel. Unser Ziel sind zunächst Cornwall und Wales, dann Nordirland und die Republik. Bemerkenswert dabei ist, dass ausgerechnet das zum Vereinigten Königreich zählende Nordirland jüngst verstärkte Anstrengungen unternimmt, Gälisch in Wort und Schrift neu zu beleben.

Unser Kurs gen Norden verleitet zu vielerlei Abzweigungen - in Zeit und Raum. Er führt über die Eisenzeit, die Hochepoche der Kelten in Europa, quasi zurück bis in die Eiszeit. Schon als die keltischen Stämme auf ihrem Zug Richtung Norden die Britischen Inseln besiedeln, folgen sie den Pfaden weitaus früherer Kolonisten aus der Bronzezeit und der Steinzeit. Sie fanden quasi als Meilensteine ihrer Wanderungen jene megalithischen Bauten vor, die bis heute erhalten sind und von einer Hochkultur stammten, die weit vor den Ägyptern Grabstätten nach den Gesetzen der Astronomie errichteten. Ganggräber, Menhire und Steinkreise säumen diesen Weg damals wie jetzt. Sie sind Wegzeichen einer frühen europaweiten Besiedlung um 3500 vor Christus und zeugen von weit entlegener Abkunft, von fernen dauerhaften Beziehungen und einem Warenaustausch, dessen Handelswege in den Mittelmeerraum zurückführen zu Etruskern und Phöniziern. Sie trieben Handel mit Cornwall und Irland, tauschten Glas und Wein gegen Zinn, das für die Bronzeverhüttung so bedeutsam war und hier im Norden abgebaut wurde.

Umgekehrt folgen den Kelten nach der Zeitenwende wiederum andere Stämme und Völker aus Zentral- und Nordeuropa: Römer, Angeln und Sachsen, Wikinger und Normannen. Und sie alle prägten und überformten in den Jahrhunderten ihrer Präsenz und in den Jahrtausenden dieses evolutionären Wechsels politisch, sprachlich und kulturell jenen zunehmend umkämpften Siedlungsraum, den wir heute als die keltische Welt nördlich des Ärmelkanals und der Keltischen See bis zum Nordatlantik vorfinden. Dieser uralte Siedlungsraum rund um die Britische Insel und ihre unzähligen Inseln und Archipele ringsumhin wird zum umstrittenen Herrschaftsgebiet, dessen Einigung bis heute unvollendet ist. Wechselweise fallen die verschiedensten seefahrenden Völker ein und erobern von der hohen und südlichen Nordsee her, über die Hebridische, die Irische und die Keltische See oder durch den Ärmelkanal von Osten und Westen kommend Teilgebiete. Ja entlang der Atlantikküste führt der Weg der Eroberer und Kolonisten zurück bis in die Biskaya und zur Iberischen Halbinsel.