Verehrte Mitreisende, liebe Freunde des redACtionsbureaus,
wir sind rüber. Rüber in den Donegal, quer durch Nordirland und dann rüber auf die nordwestlichste Insel Irlands, nach Tory Island, eine aktive Königsinsel. Später dann auf die Arranmore Isle und rüber nach Inishowen. Es war ein riesen Ritt durch die Randgebiete des nordwestlichen Irland, in die wirklich abgeschiedenen Regionen des Donegal.
Wir querten Nordirlands Süden und fuhren unterhalb von Lower Lough Erne nach Ballyshannon. Unser erstes Ziel war Lough Eske, nahe der Stadt Donegal. Von dort aus starteten wir in die Gaeltacht des Nordwestens, eines der letzten irisch sprechenden Gebiete. Ein paar Tage durch den Donegal zu kurven, ist eine runde Sache. Die oft einspurigen Straßen winden sich endlos durch die immergrünen Hügel. Bögen, Ellipsen und Parabeln sind das Konstruktionsprinzip ihres ausgedünnten Straßennetzes. Sie führen bis in den letzten Winkel, bis es nur noch mit Fähren und Booten weitergeht, etwa nach Tory Island und zum dort amtierenden König Patsy Dan.
Zur Fahrt ins Grüne: in Donegals Gaeltachten
Die irischen Inseln haben seit alten Zeiten ihre Könige selber gewählt, von Rathlin Island im Nordosten bis zu den Aran Isles vor der Galway Bay und den Blaskets im Südwesten. Diese Tradition wurde erst im modernen Nationalstaat aufgegeben, nur nicht auf Tory Island. Ihr Monarch ist Patsy Dan Mac Ruaidhri. Er amtiert seit mehr als 20 Jahren und lässt es sich nicht nehmen, jede einlaufende Fähre am Pier selbst zu begrüßen und die Besucher und Heimkehrer mit Handschlag und einem freundlichen Gruß gleich an der Gangway persönlich willkommen zu heißen. Ein wahrhaft königlicher Empfang und zugleich ein majestätischer Auftritt. Wir hatten eine standesgemäße Audienz und ein sehr langes Gespräch. Sigrid wurde sogar mit einem königlichen Kuss verabschiedet. Mein Großvater erzählte mir immer, dass solche Küsse Prinzessinnen verzaubern und in Frösche verwandeln, aber das ist ein Märchen, das
stimmt gar nicht.
Zum King of Tory Island
Wir kamen reich beschenkt zurück vom King of Tory Island, rüber aufs feste Mainland des entlegenen Donegal. Wer an sommerlichen Tagen hier die "Irischen Highlands" besucht und das Städtchen Glenties erreicht, sollte unbedingt einmal reinschauen. Alljährlich lädt die dortige Patrick MacGill Summer School zu einem einwöchigen Kulturforum in den Nordwesten der Republik. Meistens ist das Ende Juli. So hatten wir das Glück und das große Vergnügen, mitzuerleben, was die Iren derzeit bewegt. Die Workshops, Diskussionsrunden und Vorträge sind erstklassig, öffentlich und für ein geringes Entgelt jedermann zugänglich. Das Programm liefert die irische Vergegenwärtigung in Kultur, Kunst und Politik. Der Wissenschafts- und Kulturbetrieb entsendet renommierte Speaker und besonders die politische Klasse nutzt das Event nur zu gerne als Plattform, um eigene Standpunkte zu wiederholen, wenn nicht sogar
zu erklären.
Diesmal lautete das Motto des Events: „2016 – IRELAND at the Crossways“ und eines seiner meist emotionalen Themen: „The Irish Water Saga – What now for ensuring supply to future Generations?“. Ein Zukunftsthema von nationalem Interesse muss geklärt werden: Wasser. Die Lage ist brisant. Seit jeher war in Irland Wasser kostenlos zu haben, ein alt hergebrachtes Recht. Doch 2013 wurde alles anders. Das Leitungsnetz veraltet, das Abwassersystem marode, das Geld dem gehäuteten Celtic Tiger nachgeschmissen, da gab es für die Regierung kaum eine andere Idee, als die benötigten Infrastrukturkosten für den drängenden „Investitionsplan Wasser“ durch Wassergeld einzutreiben. Irish Water wurde gegründet, die Wasserwirtschafts- und Wasserversorgungsgesellschaft, die sogleich Wasseruhren installierte, die neue Zeiten einläuteten: Wasserrechnungen wurden von nun an fällig. Doch
die Hälfte der Iren zahlte nicht.
So konnte Dr. Joe Mulholland, der Direktor der Summer School, vor vollem Hause die politische Klasse auf der Bühne des örtlichen Highland Hotels begrüßen, um die Positionen zu klären. Der irische Umweltminister Alan Kelly war da, der CEO von Irish Water, Michael MacNicholas, dann Pearse Doherty, der finanzpolitische Sprecher von Sinn Féin, und Eamon Ryan, der Parteichef der Grünen. Demonstranten und Protestler blieben draußen. Polizei stand in gelben Westen am Eingang wie Türsteher vor Diskotheken. Wir durften rein, waren dabei und haben protokolliert.
Zu Irish Water: hochgekocht und ungeklärt
Wasser hat keine Balken. Deshalb gibt es Fähren. Von Glenties kommend standen wir gegen 10 Uhr morgens in Burtonport am Hafen. Von hier starten die Boote auf die Insel Árainn Mhór. Die kleine lokale Fährgesellschaft "Arranmore Fast Ferry" wird von den rund 500 Insulanern selbst unterhalten, ihre blauen Boote werden von Einheimischen betrieben. Mit zwei Fährschiffen versorgen sie die Insel: einem, das gut gekramt gleich mehrere Autos mitnehmen kann, und einem, das so gerade mal zwei große Vans fasst: uns und einen kleinen Laster.
Wir kletterten hinauf zum Steuerhaus auf die kleine Brücke, wo Seamus, der Kapitän, uns freundlich willkommen hieß und uns gleich erklärte, wo wir gewesen sein sollten und was wir gesehen haben müssten: das Lighthouse ist solch ein „Must“. Und so fuhren wir bestens informiert über die kleine Insel und fanden auch die 50 Stufen am Leuchtturm, die uns an den Fuß der Klippe in die spektakuläre Tiefe führten, bis ans tosende Meer.
Einmal Arranmore und zurück
Zwischen Glenties und Portnoo werden atemberaubende Aussichten frei, auf Schären und vorgelagerte Inseln im weiten Wild Atlantic. Weiße, weitläufige Strände und Buchten locken von Narin bis hinauf vor Dungloe. Halbinseln machen sich im Norden breit. Horn Head und Fanad Head kanten steil aus der Brandung empor. Und als nördlichster Punkt der Grünen Insel: der Malin Head auf Inishowen. Am südlichen Eingang dieser wunderschönen Halbinsel thront auf dem Berge Grianán der einstige Sitz der Könige von Aileach, das Ringfort Grianán Ailigh. Über 2000 Jahre regierten von hier aus die frühen irischen Herrscher, bis 1177 n. Chr, als das Königreich an die Normannen fiel.
Der exponierte Ort ist ein wahrer Königssitz und übertrifft in seiner atemberaubenden Prominenz in der ihn umgebenden weiten Landschaft selbst Cashel an Majestät. Dieses eisenzeitliche Kolosseum überragt die gesamte Halbinsel Inishowen, mit einer fantastischen Aussicht über den Lough Swilly, an dessen Ende Letterkenny noch zu erahnen ist, bis zum Lough Foyle, an dem man das 10 km entfernte Derry deutlich liegen sieht. Ein kolossaler Rundumblick. Das 23 Meter durchmessende Rundfort selbst ist restauriert und bestens erhalten. Vor seinen erhabenen Mauern liegt dem Besucher das gesamte nördliche Irland zu Füßen.
Zum eisenzeitlichen Kolosseum nach Inishowen
Wir kommen mit Verspätung bei Peter und Terry an, auf dem kleinen Campingplatz in der stillen entlegenen Binion Bay sind wir verabredet. Am Leenan Beach ist bei diesem tollem Wetter ein Strandtag angesagt, bis in den frühen Abend, an dem wir in Culdaff Blaise Harvey wiedersehen, zu einem köstlichen Dinner in McGrory's Pub und Restaurant. Es wird ein geselliger Abend.
Wir reden von kommenden und gewesenen Tagen, als wir mit Bikes von Cycle Inishowen zum ersten Mal von Blaise durch diese herrliche Landschaft geführt wurden. Sie kennt alle Schönheiten dieser wunderbaren Halbinsel und des herben Donegal. Wir sprechen über das morgige Konzert der Henry Girls. Es ist seit Wochen ausverkauft.
Unsere Vorbestellung war einzig richtig. Der Saal ist proppenvoll. Die Hälfte scheint zur Familie und zum Freundeskreis zu gehören, überall home gecommene Doherties, McLaughlins und Henrys und viele andere aus der kleinen Stadt. Und ehe alle sitzen, alles gekramt ist und das Konzert beginnt, dauert es. Irish Folks halt.
Tosender Beifall dann, als Karen, Lorna and Joleen McLaughlin endlich auftreten. Die Stimmung ist bestens, richtig familiär. Eine Brass Band gastiert im Background, ein Wanderschotte mit Cowboyhut klampft ein Liedchen mit. Nett, richtig familiär. Aber zu dritt, alleine, ohne all die Jungs drumherum, sind sie erst richtig und wahrlich gut, echt super, begeisternd und mitreißend: die Henry Girls. Multitalente, die wunderbar singen, mit Irish Folk, Pop und American Country ihr Publikum begeistern und ihre Instrumente perfekt beherrschen – ob Fiddle, Harfe oder Banjo, ob Akkordeon, Piano oder Gitarre.
Zu Inishowens Frauwenpower
Wie es im Süden Irlands weiterging und welche Inselabenteuer uns dort seewärts bewegten, erzählt der nächste und letzte Etappenbericht aus Irland. Vom hügeligen Donegal sind wir ins zerklüftete County Clare, zuerst nach Doolin zum schrundigen Burren. Sein bizzares Karstgestein versinkt vor den Cliffs of Moher in der Galway Bay und steigt auf den Aran Islands wieder forsch aus dem Meer empor, in Form kleiner Inseln von herber Schönheit: Inisheer, Inishmaan und Inishmore, Gaeltacht auch sie, wenngleich kaum noch besiedelt. Ganz verlassen ist die Mönchsinsel Skellig Michael, deren Einsiedelei auf einem felsigen Gipfel mehr als 620 bußfertige Stufen hoch über dem Meer liegt, fern der Menschen und dem Himmel so nah.
Wie man die Inseln am äußersten westlichen Rande Europas erreicht, wann und wo die Boote fahren, und wie man wo dort übernachtet, erzählen wir dann beim nächsten Mal.
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Viele Grüße von den Grünen Inseln!
Heinz Bück und Sigrid Schusser
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