Leseprobe Vorbereitungen

Frühe Gedanken und Vorbereitungen zu der ungewöhnlichen Reise - transkribiertes Rohanuskript

Eine größere schöne Reise hege ich als Wunsch seit mehreren Jahren. Des Öfteren habe ich mir Prospektmaterial besorgt. Island, Ostpreußen oder auch Marokko kamen in die engere Wahl. Aber Angebot, Flugreise und meine finanziellen Möglichkeiten waren nicht auf einen Nenner zu bringen.

Außerdem machte meine Gesundheit nicht immer mit. Meine Wohnung war zu dunkel, das hatte ich erkannt. Mental sackte ich zu sehr ab. Daraufhin strebte ich eine Kur in Marmagen an. Die hat mich dann körperlich und mental gut aufgebaut. Zum Abschluss sollte ich Frau Gaitsch (eine der Therapeutinnen) aufschreiben, was ich wohl mittel- und langfristig vorhabe.

Malen, reisen, schreiben, fernsehen, spazieren gehen … Als ich es geschrieben hatte, war der Gedanke geboren und beschäftigte mich intensiver.

Während der Kur hatte ich wiederholt Probleme mit meinen Zähnen. Ingwer, mein gutes Hausmittel, hat mir dann über die Runden geholfen. Ein Zahnarztbesuch wurde unerlässlich. Oh, oh, es drohte mir Radikales. Mann, oh Mann, das kann teuer werden.

Dann kam die Sache noch mit der Abwrackprämie ins Spiel. Meine Gedanken fuhren regelrecht Karussell. Nein, wie soll ich das nur unter einen Hut bringen. Zähne, die wirklich raus müssen, ein Auto, zwanzig Jahre alt und 450.000 km auf dem Buckel. Dazu kamen 2500 € Prämie, sehr verlockend bei einem Neukauf. Und nicht zuletzt war da eine Reise, die sich immer mehr in meinem Kopf festsetzte.

Hinzu kam noch ein anderer Aspekt. Wilfried, flieg nicht mit dem Flugzeug, sondern fahre selber. Nach dem Motto: „Der Weg ist das Ziel“. Mit diesen Gedanken fielen Island und Marokko schon raus. Karten und Atlas auf den Tisch, ja, das ist es. Polen, Masuren, Königsberg, Kurische Nehrung, Baltikum. Stopp, Wilfried, was mutest du dir da zu. Zu so einem Plan muss man fit und gesund sein. Mit dieser Voraussetzung an erster Stelle ging die Planung weiter.

Das Problem mit den Zähnen löste sich besser als erwartet, zwar nicht schmerzfrei, doch finanziell schmerzlos. Dass ich mich von meinem guten alten Volvo verabschieden musste, konkretisierte sich. Der Renault Twingo wurde bestellt.

18.6.2009
Jetzt konzentrierten sich die Gedanken mehr und mehr um die Reise. Die Karten wieder auf den Tisch! Warum soll die Fahrt im Baltikum enden? Nein, weiter geht’s, wenn ich gesund bleibe, Petersburg, Ladogasee, Karelien, Nordkap und dann nach Hause.

Ja, das ist sie, die Route.

Mit einem Auge die Möglichkeiten im Visier, den Abbruch der Reise aus Gesundheitsgründen. Ehrlich gesagt, die Gedanken zur Fahrt haben mich innerlich beflügelt und motiviert. Es ist gut, wenn man sich selbst wieder ein Ziel setzt. Hätten wir in der Vergangenheit nur Pessimisten gehabt, die Welt wäre bis heute nicht so entdeckt.

Am 29.7.09 hatte ich die erste Liste erstellt, was man alles bedenken sollte: Versicherungen, ADAC, Visa und, und, und... Wenn ich diesen Plan meinen Verwandten und Bekannten mitteile – ich meine es schon zu hören: "Du bist bekloppt, übernimm dich nicht, mit dem Auto, du sprichst die Sprachen nicht" und so weiter.

So, der Entschluss ist gefasst, Listen habe ich angelegt, um immer etwas nachtragen zu können. Nun muss ich nur noch gesund und fit bleiben. Mitte Mai peile ich mal für den Start an.

November 2009
Es sind Monate vergangen seit den ersten Gedanken zu der Reise. Nur wenigen Menschen habe ich von dem Vorhaben bis jetzt erzählt. Habe mich inzwischen von meinem guten alten Volvo schweren Herzens verabschiedet und mit dem kleinen Twingo schon etwas angefreundet. Stellt sich mir die Frage, ob ich dem kleinen Flitzer die Reise zumuten kann? Die Checklisten werden immer länger.

Januar 2010
Erste Erkundigungen bei Versicherungen, Touristeninfos, Visum für Russland. Im Reisebüro Material für die neun Länder der Durchreise besorgt. Alle Berichte und Sendungen im TV verschlungen, die hilfreich sein könnten.

Februar 2010
Das ist ja wieder ein Winter wie früher. Leider ist meine Bewegung dadurch sehr eingeschränkt. Nur habe ich meine Absicht zu reisen doch hier und da verlauten lassen. Prompt kamen die vermuteten Antworten. Gute und weniger gute Ratschläge bekam ich dann. Gehe in den ADAC. Bin bis jetzt ohne ausgekommen. Habe mich dann schlau gemacht und erfahren, dass der ADAC nicht nur Hilfe und Sicherheit im Notfall leistet, sondern auch Hilfestellung bei der Planung gibt und ausführliches Material bereitstellt. Überzeugt wurde ich dann Mitglied.

"Papa, du brauchst ein Handy, wenn dir was passiert oder das Auto liegen bleibt. Du musst dich melden können." Da spielte schon die Sorge mit. Ja, habe ich auch eingesehen und ein Handy besorgt. Bin damit zu meiner Enkelin Cara gegangen und habe Unterricht genommen zum richtigen Gebrauch.

Die nächste Frage hieß: Was, ohne Navi willst du fahren? „Ja, warum nicht? Bin doch bis jetzt überall hingekommen und zurück.“ entgegnete ich. Mein Freund Micha musste nach MG, Malmedystraße. „Hm, weiß ich auch nicht.“ sagte ich zu ihm. Bekannte von Micha gaben uns ein Navi und die nötigen Anleitungen mit. Nun, was soll ich sagen, ich war so überzeugt, dass ich mich zum Kauf entschloss.

Das alles kostete aber auch zusätzliches Geld, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Ich hatte doch schon gespart, wo es nur ging. Heizung nur an, wenn Besuch kam, ansonsten Kälte und Unempfindlichkeit trainiert, und das bei dem Winter. Essen und Trinken unter drei Euro pro Tag, langfristig. Keine Extras … Seit dem 9.2.2010 kein Fernsehen mehr. Ich solle einen Receiver kaufen. Ha, ha, vielleicht nach der Reise. Es ist schon schlimm genug, dass ich trotzdem Gebühren bezahlen muss. Was wirklich wichtig war, läpperte sich ohnehin schon sehr zusammen.

Russisches Reisebüro, das einzige, was mir ein Visum besorgen kann, ohne eine Reise zu buchen. So schwer tun sich da die Deutschen. Frau Vera Strauß, Inhaberin des Büros, sagte mir: „Kein Problem, innerhalb drei Wochen ist es da.“ Und das mit Sonderwunsch zur zweimaligen Ein- und Ausreise.

Dann Autoversicherung, oh, ha, war das eine schwere Geburt, bis ich die grüne Karte hatte. Das hatte soviel Nerven gekostet, dass ich Russland fast ausgeklammert hätte. Endlich hatte ich dieses Problem gelöst mit hilfsbereiten Menschen am Telefon. Ein Glück, dass ich die Planung soweit im Voraus begonnen hatte.

Der Winter war endlich vorbei und ich machte mich auf zur körperlichen Fitness. Zum Spaziergang durch den Wald nach Holtmühle, hin und zurück etwa drei Kilometer, mit dem Fahrrad um den Grenzlandring, gut neun Kilometer, tägliches Programm, wenn das Wetter und andere Dinge es zulassen. Bis sich einmal mein Rücken unerwartet meldete. Muss sowieso zum Hausarzt zum Durchchecken und für die letzte Impfung. Na, Wilfried, bring dir vorsichtshalber eine Überweisung zum Orthopäden mit.

Zum Doktor. Auf den Tisch sollte ich mich legen. Dann hat doch dieser blöde Hund mir die Knochen so verdreht, dass mir das Gefühl aus dem linken Bein ging und das Bein wurde ganz taub. „Entschuldigung für den Hund.“ Peter, ein guter Therapeut bei de Jong hat es dann in den verbleibenden Wochen vor der Reise wieder so gerichtet, dass ich fahren konnte.

Und immer wieder die Listen durchgegangen. Habe ich nichts vergessen, habe ich alles bedacht, wo sind versteckte Risiken. Es war schon aufregend. Manchmal hat der Kopf gequalmt. Wenn ich am Kleiderschrank vorbeikam und sah mich selbst im Spiegel so krumm, musste ich mich mit den Worten ermahnen: „Wilfried, gehe gerade, du willst noch bis zum Kap.“ Das half dann wieder für eine Weile. Manchmal kam auch wieder ein Anflug von Zweifel. Der musste aber sofort unterdrückt werden, denn nun gab es kein zurück mehr.

Mittlerweile ging es in die Endrunde der Vorbereitungen. Auslandskrankenversicherung, Visa, grüne Karte (extra für mich gedruckt), alle Dokumente beisammen. Koffer und Taschen für die verschiedenen Bereiche. Beim Sperrmüll und auf dem Trödelmarkt hatte ich große Auswahl. Conner, mein Enkel, hatte mir einen schönen, großen Koffer wieder fahrbar gemacht. Auf der Fahrt muss man ja gleich wissen, wo was drin ist, ohne alles auf den Kopf zu stellen. Wäsche, Medikamente, Fotomaterial, Essen und Küche usw. Das alles muss dann dementsprechend im Kofferraum verstaut sein.

Bei der Bank wollte ich dann von jeder Landeswährung etwas tauschen. Wäre nicht nötig und mit der Kreditkarte, die ich mir besorgt hätte, käme ich überall gut weg, sagte man mir.

Sprache, Verständigung, das ist ja noch eine Sache für sich. Etwas russisch, etwas englisch, was ich aus früheren Kursen noch behalten habe, reicht bei weitem nicht aus. Nun hat der ADAC ja Material geschickt. Unter anderem aus jedem Land Sprachhilfen aus den Bereichen Verkehr, Höflichkeit, Gastronomie, Übernachtung usw. Gut, habe ich mir gesagt, setz dich hin und lerne. Doch das war zuviel von meinem kleinen Gehirn verlangt. Aus neun Ländern: guten Morgen, bitte, danke, auf Wiedersehen. Nein, nein, nein, Wilfried, so geht das nicht.

Vor dem nächsten Grenzübertritt setzt du dich hin und lernst nur für das nächste Land. Nur kein Stress Wilfried.

Der Termin zur Abfahrt stand nun fest. 15.5.2010. Doch hin und wieder bekam ich stärkeres Herzklopfen, wenn ich daran dachte. Zum Glück wurde es weniger, je näher der Zeitpunkt kam.

Koffer und Taschen packen. Was kommt wo rein? Mein Zimmer wurde auf dem Boden fast zu klein.

Mittwoch,12.5.2010
Alles fertig. Kleines Zeitpolster bis Freitagabend für Eventualitäten. Maria, meine Schwester, und Ragnar, mein Sohn, waren bei mir und wissen über alles Bescheid, sollte mir etwas Ernsteres zustoßen. Mittlerweile hatte ich etlichen Leuten von meinem Vorhaben wissen lassen. Mit all den guten Wünschen, gute Reise und gesunde Heimkehr habe ich mich von ihnen verabschiedet.

Helga, meine älteste Schwester in Berlin, weiß Bescheid. Komme Samstagvormittag. Sie hatte im April Geburtstag. Das Geschenk von Maria und mir wird nun nachgeliefert.
Wohnung in Ordnung gebracht und Kühlschrank leer gegessen. Frau Kebschull, meine Nachbarin, pflegt meine Zimmerpflanzen und sieht nach der Post.

14.5.2010
Haare schneiden steht noch auf dem Programm, also auf zu Gisela und Georg. Gisela schneidet mir seit über dreißig Jahre die Haare. Wir sind uns zum ersten Mal bei einem Sprachkurs englisch in der VHS begegnet.

Auf dem Rückweg noch bei Willi und Maria angefahren zum Tschüss sagen. Auto tanken, Luft und Wasser, alles klar. Letzte Kontrolle und dann Auto beladen. Es wird ganz schön voll. Überall, wo noch eine kleine Lücke ist, werden die guten Wünsche noch zwischen gesteckt. Bis auf das Bettzeug, Tasche mit Dokumenten und Wertsachen alles drin.

Das wäre geschafft. Herr Corsten, ein freundlicher Mitbewohner des Hauses, stellt mir für die Nacht die Garage für das bepackte Auto zur Verfügung. Alle Elektrogeräte ausgestöpselt, dann zeitig schlafen gehen, wenn es mir überhaupt gelingt. Für drei Uhr ist die Abfahrt geplant.

Fortsetzung: Start der Reise - Über Berlin nach Polen