redACtionsbureau Reportage
Irlandreportage

LegenDerry: Derry / Schräger / Londonderry

Die britische Kulturhauptstadt 2013 im Ausgleich

Nach den Tagen der Troubles sucht auch Derry / Londonderry die Annäherung zwischen der katholischen und protestantischen Bevölkerung. Mühsam ist der Weg zu einer Normalisierung. Doch nie war die Stadt friedlicher als heute. Ein Rundgang auf den Walls, den alten Stadtmauern, mit Blick auf die Murals führt von kriegerischen Tagen zu einem hoffnungsvollen, friedlicheren Miteinander.

Montag, 29.07.2013 – Strecke/Ort: Londonderry / Derry (Doire) –

LegenDerry: Derry  / Schräger / LondonderryLegenDerry: Derry / Schräger / Londonderry

Es regnete kurz, als Sarah uns gestern Nachmittag über die alten Stadtmauern von Derry / Londonderry führte. Wir spazierten über die Walls. Sie wurden im ausgehenden 17. Jahrhundert von den Briten errichtet und ausgebaut, zur Befestigung der Stadt nach der gewonnenen Schlacht am Boyne. Sie sollten lange halten.

Bild

In den 1970er und 80er Jahren wäre ein solcher Rundgang unmöglich gewesen, erzählt Sarah. Aus Sicherheitsgründen waren die Walls gesperrt. Noch heute zeugen hohe Gittertore davon. Die Stadt war damals in einem Belagerungszustand. 1969 hatten Republikaner im katholisch-nationalistisch gesonnenen Viertel Bogside, die die Wiedervereinigung mit Irland suchten, das „Freie Derry“ ausgerufen.

Bild

Bei Demonstrationen der britisch gesinnten Loyalisten kam es bald darauf zu ersten blutigen Auseinandersetzungen. Die Gewalt eskalierte auf beiden Seiten. Sie fand ihren Höhepunkt im Bloody Sunday. Britische Fallschirmjäger schossen im Januar 1972 scheinbar grundlos auf einen Demonstrationszug im Stadtteil Bogside. 14 Menschen starben, darunter ein 14-jähriges Mädchen. Eine Katastrophe, die vor allem die Hinterbliebenen umso mehr belastet, als bis heute niemand zur Rechenschaft gezogen wurde.

Bild

Wir machen wir uns auf den Weg in die Bogside zu Füßen der Walls. Das Museum of Free Derry hat die erschütternde Geschichte jener Tage bewahrt. Die Murals, die Wandgemälde an den Giebeln der Häuser, erzählen aus gewaltbereiten Zeiten. Doch nach vielen Unruhen und 30 Jahren Konfrontation hat das Friedensabkommen von 1998 auch in Derry / Londonderry einen mühsamen Annäherungsprozess in Gang gesetzt, der bis heute andauert. Selbst die Bilder folgen ihm, die vormals dargestellten Feuerwaffen etwa sind nunmehr gebrochen.

Bild

Die Mehrheit der Bevölkerung hat längst für die Rückkehr zum alten Stadnamen „Derry“ votiert. Nach einer letzten Gerichtsentscheidung liegt die Umbenennung indes allein in der Hand der britischen Krone: Nur sie habe die Namensänderung in „London-Derry“ vorgenommen, und nur sie könne sie darum auch wieder rückgängig machen.

Bild

Derweil geht dessen ungeachtet die vorsichtige Politik der „Handreichung“ auch ohne politische Machthaber weiter. Sie geht von den Menschen aus und das wird das Entscheidende sein. Selbst die polarisierenden Aufmärsche der Oranier sind dem Gedanken gewichen, jährlich ein gemeinsames Festival zu organisieren, in dem jeder seinen Beitrag zur Identität der Stadt friedlich beisteuern kann.

Bild

Dem trägt auch die Nominierung Derrys / Londonderrys zur britischen Kulturhauptstadt bei. Wir schlendern über die Friedensbrücke zum Headquarter der Kulturmetropole. Ihr Motto ist Ausdruck einer großen Hoffnung und der Wunsch nach Erfolg des begonnenen Verständigungsprozesses, zum dem auch die Kunst beiträgt. So könnte es denn am Ende durch die Menschen selbst „LegenDerry“ werden. Schon heute haben sich die Murals von ihrer rein propagandistischen Botschaft gelöst. Mehr und mehr gestalten die Bogside-Artists ihre Paintings als eine generelle Anklage gegen jedwede Form von Gewalt.

TIPP: Das Museum of Free Derry hat von 9:30 bis 16:30 Uhr geöffnet, an Wochenenden von 13:00 bis 16:00. Eine Führung durch die People's Gallery ist am besten online zu reservieren.

Gastro-Tipp: Eine Broschüre des Derry Visitor and Convention Bureau informiert detailliert über die kulinarische Seite Derrys.

Wort des Tages: balla - wall - Mauer

Bild

  • Pressemitteilung
Bilder zum Download: